>> Es regnet zu viel. Und überhaupt, ich habe Rücken <<. Weshalb manche Leute nicht zu jammern aufhören und wie wir mit Nörglern umgehen können.
Die Gründe, aus denen Menschen nörgeln, variieren.
Stellen wir uns vor, ein Exemplar der Gattung Homo sapiens hätte zu Urzeiten seinen Artgenossen gesagt: >Da hinten im Wald habe ich eine Beere gegessen, die war so unendlich lecker, mein Tag ist gerettet, Leute!<
Verschwiegen hätte es aber: >Meine Brüder und Schwestern sind tot, weil sie die giftigen Beeren an den Büschen ringsherum gegessen haben.<
Sicherlich wäre die Laune in der Gruppe zunächst einmal besser gewesen, die Lebensgefahr hingegen umso grösser.
Der Mensch fokussiert aufs Negative. Denn das kann sich auf sein Überleben positiv auswirken.
Und was haben wir heute von diesem evolutionären Vorteil? Nörgler und Jammerer im Büro, im Freundeskreis oder sogar im eigenen Zuhause.
Als würde eine unsichtbare Kraft sie dazu drängen, meckern sie sich durchs Leben: <Es ist viel zu heiss<, >Nie rufst du mich an<, >Und überhaupt: Ich habe Rücken!< …
Wer genau hinsieht, kann verschiedene Arten des Jammerns ausfindig machen: Astrid Schütz, Professorin für Persönlichkeitspsychologie an der Universität Bamberg, erklärt aufschlussreich, wieso manche Menschen über ihr eigenes Leben, die Gesellschaft oder das Wetter mosern.
Zu ihren Forschungsschwerpunkten gehören Persönlichkeit und soziale Beziehungen, Selbst- und Fremdwahrnehmung sowie emotionale Intelligenz und soziale Interaktion. Zudem leitet sie das Kompetenzzentrum für Angewandte Personalpsychologie der Universität Bamberg.
Das Alltagsgejammer ist zwar kaum erforscht, doch aus ihrer fachlichen Erfahrung heraus bietet die Psychologin fünf Tipps, damit man das Genörgel besser ertragen kann:
Jammern über sich selbst
>War ja klar, dass ich das nicht schaffe<:
Dieser Nörgler bejammert sein eigenes Leben. Aber was hat er davon, sich ein imaginäres Schild umzuhängen, auf dem >Misserfolg< steht?
>Wer so redet, meint das entweder ernst, sieht sich selbst sehr negativ und hat wahrscheinlich einen geringen Selbstwert<, sagt Astrid Schütz und ergänzt: >Oder die Person betreibt ‹fishing for compliments› und strebt nach Anerkennung.<
Auch das sogenannte Impostor-Syndrom, zu Deutsch Hochstapler-Syndrom, könne eine Ursache für die harsche Selbstkritik sein. Die Betroffenen sind von massiven Selbstzweifeln geplagt, auch wenn sie sehr erfolgreich sind.
Sie vermuten Glück als Ursache ihres Erfolgs.
Die merkwürdige Verbindung von Jammern und Lob
>Du bist immer so beneidenswert pünktlich. Ich kann das nicht.<:
Manche Menschen machen sich selbst klein und stellen andere gleichzeitig auf ein Podest. Wer das tut, will laut Astrid Schütz vielleicht Mitleid heischen oder aber einen ernstgemeinten Hilferuf absenden.
Eine weitere mögliche Ursache sei der >fundamentale Attributionsfehler<, also ein Trugschluss in der Ursachenforschung. Es wird instinktiv bei anderen Menschen eine Persönlichkeitseigenschaft als Grund dafür vermutet, dass sie zum Beispiel pünktlich sind.
Bei sich selbst betrachte man hingegen die Situation mit allen Details, die für das Ergebnis mitverantwortlich waren. Das geschieht zwangsläufig, weil bei den anderen die Umstände unbekannt sind. Da sich der Mensch die Welt jedoch zwingend erklären will, denkt er: >Der andere ist nun einmal so<.
Meckern über Regierung und Gesellschaft
>Der Sittenverfall in unserer Gesellschaft ist kaum zu ertragen<:
Das ist typisches Stammtisch-Palaver, aber auch im Büro, auf Familienfeiern und teilweise in den eigenen vier Wänden bleibt man nicht verschont von solchen verbalen Rundumschlägen.
Darin kann der Wunsch gesehen werden, sich selbst aufzuwerten, indem die anderen pauschal abgewertet werden. Dies machen ganz unterschiedliche Menschen, die sich zum Teil überschätzen oder aber unsicher sind. Dieses Verhalten kann darüber hinaus auch mit einem verletzlichen Selbstwert zusammenhängen.
Das persönliche Umfeld bejammern
>Nie rufst du mich an<:
Wer sich so etwas anzuhören hat, bei dem stürzt die Lust aufs Gespräch ins Bodenlose. Wozu solch ein Vorwurf?
Womöglich ist dieser Nörgler sehr pessimistisch eingestellt bis hin zu gewissen depressiven Tendenzen.»
Allerdings könnte das Ganze auch einen anderen Hintergrund haben, nämlich ein Anspruchsdenken, das typisch für Narzissten ist. Zu erkennen ist es besonders gut, wenn der Nörgler etwas beanstandet, was er auch selbst hätte tun können. Anrufen zum Beispiel.
Das generelle Jammern
>Es regnet zu viel<, >Es regnet zu wenig<:
Wer wiederkehrend wahllos herummeckert, verleiht womöglich seiner pessimistischen Haltung Ausdruck. Der Grund kann aber auch banal sein: Vielleicht ist das nur ein Aufhänger für den erhofften Beginn eines Gespräches.
Das generelle Genörgel kann sich zudem auf den spezifischen Kontext beziehen, in dem sich die Gesprächspartner befinden. Im Büro sagt man etwa: >Die Liste meiner ungelesenen E-Mails wird einfach nicht kleiner. <
Beim Abholen der Kinder in der Kita vielleicht: >Der Schlafmangel macht mich fertig, weil das Kind nachts ständig aufwacht. <
Das ganz natürliche Verhalten: >Alles easy, mein Schreibtisch ist für heute schon leer< – so etwas sagen die wenigsten. Denn dann könnte der Eindruck entstehen, dass ich mich über andere stelle. Jammern als gesellschaftliche Konvention also.
Richtig umgehen mit Nörglern und Jammerern
Wer erkannt hat, was hinter dem Gejammer steckt, kann lernen, damit umzugehen. Nur eines sollten wir auf jeden Fall unterlassen, nämlich das Gegenüber zu verändern. Was selbst geändert werden kann, ist der eigene Umgang mit der Situation.
Zum Beispiel mit den folgenden Tipps:
1. Sich vom Jammern abgrenzen
Es kann versucht werden, das Nörgeln zu ignorieren, um einer Verstärkung den Platz zu nehmen.
Eine weitere Strategie: Dem Gegenüber zum Teil recht geben, indem gesagt wird: >Ja, du nennst da einen problematischen Aspekt, es gibt aber auch positive Aspekte.<
Auch eine klare Abgrenzung sei je nach Situation passend: >Es ist interessant, dass du das so siehst. Ich sehe das anders.< Sofern möglich, könnte auch der Kontakt stark einschränkt werden.
2. Übers Nörgeln sprechen
Manchmal hilft ein direktes Gespräch, eingeleitet zum Beispiel mit den folgenden Worten: >Du fokussierst häufig auf den negativen Aspekt, das macht mir die Stimmung ganz kaputt. Ich wünsche mir, dass ich weniger von Dir damit konfrontiert werde.
3. Humor als Gegenmittel
Wenn der Arbeitskollege schon wieder übers Wetter schimpft, ist vielleicht -mit einem Augenzwinkern- folgende Antwort dienlich: >Aber wirklich! Petrus hat schon mal besser performt. Der braucht wohl eine Schulung. <
4. Den Fokus auf die Lösung lenken
Bitte weit weg vom See aus Selbstmitleid. Wie wäre es, dem Arbeitskollegen, dem besten Freund oder der jammernden Cousine einmal zu sagen: >Interessant, dass du auf die Schwachstellen hinweist. Welche Ideen hast du denn, um das zu verbessern? <
5. Achtsamkeit kann Gelassenheit schenken
Und schließlich ist es sehr wirksam, das Jammern mit einer inneren Distanz zu beobachten, keinesfalls zu bewerten und bitte erst recht in keiner Weise zu übernehmen. Wer hier achtsam ist, bleibt von jener schlechten Stimmung unbeeinflusst. Das erfordert jedoch etwas Übung. Doch der Erfolg wird von guter Laune gekrönt!
Viel Erfolg.